Donnerstag, 23. August 2012

Die japanische Schrift oder »Bist du deppad!«

Eigentlich wäre Japanisch die perfekte asiatische Sprache zum Lernen. Es gibt keine Probleme bei der Aussprache, keine Töne, keine Mehrzahl, kein grammatikalisches Geschlecht, keine Artikel. Es gibt genau zwei (!) unregelmäßige Verben. Verben ändern sich nicht nach der Person, man sagt also z.B.: »ich gehen«, »du gehen«,...

OK, Japanisch hat Fälle, doch die Endungen (oder Partikel) sind absolut regelmäßig. Es gibt verschiedene Zeiten und Verbformen, auch diese sind regelmäßig. Und natürlich gibt’s auch ein paar Dinge, die kompliziert sind. Kurz gesagt, Japanisch ist eine agglutinierende Sprache (d.h. die grammatikalische Funktion wird durch Endungen festgelegt) wie z.B. das Türkische oder das Ungarische. Wie die meisten agglutinierenden Sprachen hat Japanisch für einen Deutsch-Muttersprachler ein fremdes Vokabular und eine fremde, aber regelmäßige Grammatik. Von der Schwierigkeit her wäre die japanische Sprache wohl auch mit Türkisch oder Ungarisch zu vergleichen, eventuell noch ein bisschen einfacher, da das Verb nicht so viele Spompernadeln macht.

Wenn die Schrift nicht wäre. Die ist wirklich eine Ausgeburt der Hölle schrecklich kompliziert.

Es fängt damit an, dass es (wie bereits erwähnt), nicht nur eine japanische Schrift gibt, sondern drei. Die Silbenalphabete Hiragana und Katakana und die aus dem chinesischen Übernommenen Schriftzeichen namens Kanji.

Hiragana besteht aus 46 Grundzeichen, 25 davon abgeleiteten Zeichen und 36 zusammengesetzten Zeichen. Alleine da muss man also 107 Zeichen lernen.

Katakana besteht ebenfalls aus 46 Grundzeichen und 25 davon abgeleiteten Zeichen. Nachdem mit Katakana Fremdwörter geschrieben werden, gibt es mehr zusammengesetzte Zeichen um dem Japanischen fremde Laute darstellen zu können, nämlich 70. Katakana besteht also aus 141 Zeichen.

Dann gibt es noch die Kanji. Die offizielle Liste umfasst 2136 Zeichen, die jeder Japaner in der Schule lernt und die im Alltag verwendet werden. Dazu gibt es noch eine offizielle Liste von 861 Kanji, die zur Schreibung von Personen- oder Ortsnamen zugelassen sind. Das macht in Summe 2997 Kanji.

Um eine Japanische Zeitung lesen zu können, muss man also 3245 Zeichen (Hiragana, Katakana und Kanji) beherrschen. Eine große Aufgabe, aber schaffbar. Doch der Spaß hört da ja nicht auf.

Die Kanji, die sind nämlich ein Hund. Im Gegensatz zum Chinesischen, wo ein Zeichen meistens eine, maximal aber zwei Aussprachen hat, herrscht im Japanischen Wildwuchs. Die vom Chinesischen übernommenen Zeichen werden nämlich nicht nur für vom Chinesischen übernommenen Wörter verwendet, sondern auch für original Japanische. Zudem wurden die chinesischen Lehnwörter aus verschiedenen chinesischen Dialekten übernommen, d.h. ein Zeichen, das sino-japanisch (»chinesisch«) gelesen wird, kann verschiedene Aussprachen haben, und dazu können auch noch ein oder mehrere japanische Aussprachen kommen.

Ein Zeichen kann also je nachdem, mit welchen anderen Zeichen es steht, eine komplett verschiedene Aussprache (und auch Bedeutung) haben. Ein paar Beispiele:

Das Zeichen für »Sonne« und »Tag« sieht so aus: 日 Je nachdem, mit welchen anderen Zeichen es kombiniert wird, wird es jitsu, nichi, hi oder ka ausgesprochen. Dazu gibt es noch ein paar unregelmäßigigkeiten durch Kürzungen oder Wiederholungen. Mögliche Zusammensetzungen sind z.B.:

日中  hinaka    tagsüber
日日hi bitäglich
日常 nichialltäglich
日本 nihonJapan
四日 yokkavierter Tag im Monat
不日 fujitsuin wenigen Tagen
日子 nisshiAnzahl der Tage


Das Zeichen für »jetzt« oder »Gegenwart« sieht so aus: 今 Es wird kin, kon oder ima ausgesprochen. Mögliche Zusammensetzungen sind z.B.:

今古   kinko    jetzt und früher
今回 konkaidieses Mal
今時 imadoki    heutzutage


Wenn wir nun unsere Zeichen kombinieren und noch eine (in Hiragana geschriebene) Endung dran hängen, haben wir zwei mögliche Aussprachen, wobei ich z'wegen der Übersichtlichkeit die einzelnen Zeichen mit einem Bindestrich getrennt habe:

今日は   kon-nichi-wa    Guten Tag!
今日のkyō-noheutig


Aber Moment! Ist das は in konnichi-wa nicht das Zeichen für ha?

Ja, schon. Aber wenn は als grammatikalischer Partikel verwendet wird, wird es wa ausgesprochen. Ebenso wird へ in solchen Fällen nicht als he, sondern als e gesprochen. Ja, es ist wirklich so kompliziert.

Aber Moment! 今日 sind zwei Zeichen, aber als Aussprache steht da nur kyō, also eine Silbe? Wie kann das sein?

Die Kanji werden auch für japanische Wörter verwendet, die im Chinesischen mit zwei Zeichen geschrieben werden (also aus 2 »Wörtern« bestehen), im Japanischen aber nur ein Wort sind.»Heute« wird auch im Chinesischen 今日 geschrieben, aber jīn rì ausgesprochen. Als die Schriftzeichen von den Japanern übernommen wurden, gab es natürlich schon ein japanisches Wort für heute, nämlich kyō. Also beschlossen die Japaner, das Wort kyō ab sofort mit den chinesischen Schriftzeichen für »heute« zu schreiben, also für ein Wort zwei Zeichen zu verwenden, und das ist bei weitem nicht das einzige Wort, bei dem es so ist. Ja, es ist wirklich so kompliziert.

Und deshalb, liebes Japanisch, bin ich mir nicht sicher, ob das was mit uns werden wird. Ich fühle mich Dir zwar sehr zugeneigt und verbunden, aber dich schreiben und lesen zu können ist eine Lebensaufgabe, und ich weiß nicht, ob ich wirklich bereit bin, mich so fest an Dich zu binden, und alle anderen Sprachen für Dich zu Kurzzeitaffären zu degradieren. Ich fürchte fast, ich werde es bei unserer lang vergangenen 2 1/2 jährigen Affäre belassen.

1 Kommentar:

  1. coole sache - bin dann spätestens nach katakana geistig ausgestigen...glg rudi/mosquito

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